Will „Gen Z“ nicht mehr arbeiten? Influencer sorgen mit Clips für Wirbel im Netz
Diese Influencer beschweren sich über den Arbeitsalltag und ältere Menschen fragen sich: Will „Gen Z“ nicht mehr arbeiten? Wir schauen es uns genauer an.
        Viele Menschen, die in einem klassischen 40-Stunden-Job arbeiten, kennen den Frust: Von etwa 9 bis 17 Uhr sitzt man am Schreibtisch – und würde am liebsten schon nach dem Mittagessen Feierabend machen. Meckern gehört irgendwie dazu. Dennoch arbeiten die meisten in Vollzeit, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Eine Generation scheint auf diesen Arbeitsalltag überhaupt keine Lust zu haben und kommuniziert das auch offen: Die Gen Z steht für Work-Life-Balance und dem Drang nach Freizeit und Leben. Doch genau diese Einstellung stößt bei vielen älteren Menschen auf Unverständnis. Wollen die jungen Menschen einfach nicht mehr arbeiten?
Die folgenden Influencer sorgten mit ihren Forderungen für ordentlich Wirbel im Netz:
Umfrage: Sind 8 Stunden Arbeit am Tag zu viel?
Zunächst interessiert uns: Wie sieht es bei dir aus? Findest du 40 Stunden Arbeit pro Woche zu viel oder völlig in Ordnung? Teile deine Meinung – und sieh dir an, wie andere darüber denken.
Kommen wir jetzt zu dem Skandalvideo, das Ende Oktober 2025 für reichlich Wirbel sorgte:
„Nur 3,5 Stunden, um zu leben – ist doch Quatsch“: Gen-Z-Influencer klagt über Acht-Stunden-Tag
Es beginnt mit einem scheinbar harmlosen Clip: Influencer und „Germany’s Next Topmodel“-Teilnehmer Julian Kamps filmt sich, wie er mit einer Papiertüte in der Hand die letzten Meter zu Fuß nach Hause läuft. Er hat gerade einen achtstündigen Arbeitstag, zuzüglich der An- und Abfahrt – ein Alltag, den viele Menschen kennen. Doch er hat eine Botschaft: „Leute, ich arbeite ja seit drei Wochen. (...) Wir haben jetzt 18.41 Uhr, ich habe das Haus um 7.30 Uhr verlassen. Ich bin jetzt gerade kurz vor meiner Haustür: Ihr wollte mir doch nicht sagen, dass das das Leben ist?“ Julian erklärt weiter, dass ihm nur noch dreieinhalb Stunden zum Leben bleiben, bevor er wieder fit für den nächsten Arbeitstag sein muss. „Das kann es doch nicht sein? Das ist doch Quatsch.“ Er fragt sich, ob er der Einzige ist, dem es so geht. Für sich hat er bereits eine Lösung gefunden: Stunden reduzieren. So wie jetzt, das ginge „hundertprozentig gar nicht“, auch wenn das vielleicht sehr nach Gen Z klinge.
Der Clip geht dann im Netz viral:
„Ich spreche halt das aus, was jeder denkt“: Clip geht im Netz viral
Das Video trifft einen Nerv. Julian Kamps berichtet, dass es nach etwa fünf Tagen mehr als vier Millionen Aufrufe hatte. Auf Instagram haben über 180.000 Nutzer den Clip mit einem Herz versehen. Außerdem landete er bereits auf der Titelseite der Bild und wurde ins Sat.1-Frühstücksfernsehen eingeladen.
Dass das Thema die Meinungen spaltet, zeigt sich aber vor allem in den Kommentaren: „Die 40-Stunden-Woche stamme aus einer Zeit, in der nur der Mann arbeiten ging“, schreibt ein Nutzer und führt aus: „Nebenbei konntest du alleine ein Haus abbezahlen.“ Ein anderer kommentiert: „Das ist sowas von nicht GenZ, das ist einfach nur gesunder Menschenverstand. Ihr macht das jetzt schon so viel besser als wir (Millennials).“ Doch es gibt auch kritische Stimmen: „Mit der Einstellung kann dieses Land nur den Bach runtergehen“, findet ein User. An anderer Stelle ist von „Wohlstandsverwahrlosung“ die Rede. „Ich glaube ich spreche für alle aus meiner Generation, wenn ich sage, dass wir Lust haben zu arbeiten. Wir wollen arbeiten“, erklärt Kamps dazu. Er betont, dass er selbst bereits acht Jahre Berufserfahrung habe, aber nicht glaube, dass jemand „gerne zehn Stunden vor dem Schreibtisch“ sitzt. „Ich spreche halt das aus, was jeder denkt.“
Er ist nicht der einzige, der mit so einem Video für Aufsehen sorgt. Auch eine US-amerikanische Influencerin ging viral:
Brielle: Keine Zeit für das Privatleben mit so einem Tag
Brielle, so heißt die Influencerin auf TikTok, kaumt, lebt in den New Jersey USA und erzählt in dem Video, dass es ihr schwerfiel, Zeit für ihr Privatleben zu finden. Der Grund dafür ist laut ihrer Aussage, dass sie in ihrem Job acht Stunden von neun bis 17 Uhr arbeiten muss. Wenn sie abends zu Hause ankomme, habe sie weder die Zeit noch die Energie zum Kochen oder Duschen.
Bei Brielle kommt noch ein Faktor zu, der viel Zeit raubt: Sie muss insgesamt vier Stunden für den Hin- und Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz bei einer Marketingagentur in New York City aufbringen. Die Stelle habe Brielle bekommen, nachdem sie fünf Monate lang hunderte Bewerbungen verschickt hatte. Die junge Frau erklärte, dass ihr keine andere Wahl blieb, als für ihren Job in New York nach New Jersey zu ziehen, da sie sich die explodierenden Mietpreise in der Stadt nicht leisten könne.
Das habe Konsequenzen ...
Brielle: Keine Zeit für Dating und Co.
Brielle Asaro, wie die Influencerin mit vollem Namen heißt, schildert, wie ein Tag bei ihr aussieht: Morgens nehme sie den Zug gegen 7.30 Uhr, abends sei sie frühestens um 18.15 Uhr wieder zu Hause. „Ich habe keine Zeit, irgendetwas zu tun“, sagte sie weiter. „Ich möchte duschen, zu Abend essen und schlafen gehen. Ich habe auch weder die Zeit noch die Energie, mein Abendessen zu kochen“. Auch für ihr Training habe sie keine Kraft mehr. „Ich bin so verärgert“.
Laut der Berufsanfängerin wäre die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben einfacher, wenn sie von zu Hause aus arbeiten würde. Sie mache sich auch Sorgen darüber, wie sie außerhalb ihres ersten Jobs Zeit für etwa Dating und die Pflege von Freundschaften finden könnte.
Sie trifft einen Nerv:
Gen Z: So fühlt es sich an
Doch Brielle ist nicht die einzige Person, der es so geht. Unter dem Video finden sich viele Kommentare dazu, dass sie unter den Umständen, die eine 40-Stunde-Woche in der heutigen Zeit hat, extrem leiden. Sie kommentierten den Beitrag der gestressten jungen Frau und berichteten von ihren eigenen Problemen, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Einige forderten eine kürzere Arbeitswoche, denn „fünf Tage arbeiten und zwei Tage frei fühlen sich ehrlich gesagt höllisch an“, schrieb ein Follower. Eine weitere Person fand: „Es ist so eintönig und deprimierend.“ Ein Internetnutzer schlug vor: „Die Generation Z muss gemeinsam in Führungspositionen aufsteigen und dann zusammen die Vier-Tage-Woche durchsetzen.“
Doch bei wem kam das Video nun schlecht an?
Negatives Feedback
Doch es gibt auch viele Menschen, die finden, dass das Video übertrieben und ungerechtfertigt ist. Die Kommentare sind da teilweise ganz schön happig: Einige User begrüßten sie in der „realen Welt“ und in der „Welt der Erwachsenen“. „Stell dir vor, du hättest auch Kinder, zu denen du danach nach Hause kommst!", gab eine Person zu bedenken. Brielle beendete das Video mit der Aussage, dass Amerika seinen derzeitigen Arbeits-Zeitplan von neun bis fünf ändern müsse. „Es ist nicht fair, dass die einzigen Menschen, die davon profitieren, diejenigen sind, die die Unternehmen leiten“, sagte sie. „Oder Leute, die extrem reich sind oder Influencer, die keinen festen Zeitplan haben müssen.“
So kontert Brielle die Kritik
In einem Interview mit dem Magazin Rolling Stone reagiert Brielle auf die Kritik auf ihr Video. Sie sagt: „Ich verstehe gar nicht, wie das Ganze zu einer politischen Auseinandersetzung werden konnte, wenn ich doch nur ein Gespräch eröffnen und Leuten gegenüber respektvoll sein wollte, die noch länger arbeiten als ich. [...] Verschiedene Nachrichtensender haben mein Video aufgegriffen und alle Hochschulabsolventen als zu anspruchsvoll und faul dargestellt, was bei weitem nicht der Fall ist.“
Sie erklärte auch noch mal, warum sie gezwungen war einen Job mit so einer langen Anfahrt auf sich zu nehmen: „Ich habe erst im Oktober ein Jobangebot erhalten, der Arbeitsmarkt ist gerade sehr umkämpft“, so Asero im Rolling Stone. „Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich trotz meiner Studienschulden meinen Abschluss nicht sofort nach der Uni nutzen konnte. Als mir die Stelle angeboten wurde, habe ich sie angenommen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen und Erfahrungen zu sammeln.“
In den USA haben Studierende durchschnittlich 38.000 Dollar Schulden nach ihrem Studium, da die Studiengebühren so hoch sind, dass sie Kredite aufnehmen müssen. Deshalb wohnt Brielle auch weiter bei ihren Eltern, um Geld zu sparen.
Und sie sagt noch etwas zu allgemeinen Kritik an der Gen Z, die angeblich faul sei ...
Brielle: Ich wollte einfach Menschen zusammenbringen
„Die Generation Z arbeitet genauso hart wie die Menschen vor uns, mit niedrigeren Gehältern und höheren Lebenshaltungskosten“, findet Brielle. „Als die normale Arbeitswoche eingeführt wurde, konnten es sich die Menschen leisten, eine Familie zu ernähren, in der ein Ehepartner zu Hause bleibt und sich um den Haushalt kümmert. Aber das ist heute kaum noch der Fall. Die meisten Leute, die wütend auf mich sind, lassen nur ihre Wut über die Zeit, die sie durch die langen Arbeitszeiten verloren haben, an mir aus. Ich wollte einfach Menschen zusammenbringen, die so empfinden, um vielleicht eine Veränderung anzustoßen.“
Wie sieht es damit denn in Deutschland aus?
        Deutschland: Forderung nach 4-Tage-Woche
Auch in Deutschland gibt es die Forderung nach weniger Arbeitszeit bei vollem Gehalt, denn das sei sogar besser für die Produktivität, so berichtet der Deutschlandfunk. Die Ergebnisse einer Studie aus Großbritannien klingen verheißungsvoll: 61 Unternehmen haben dort ein halbes Jahr die Vier-Tage-Woche getestet. 56 davon wollen erst einmal dabei bleiben. Die Mitarbeiter sind ausgeglichener, gesünder und die Produktivität hat sich sogar erhöht. Besonders in körperlich anstregneden Berufen sollen drei Tage Wochenende dafür sorgen, dass die Arbeitnehmenden sich besser erholen können: Die IG Metall fordert die Vier-Tage-Woche für die Stahlbranche daher schon länger.
Und eine deutsche Sozialarbeiterin geht sogar noch weiter als die Influencerin Brielle ...
#1 Je weniger Arbeit desto besser?
In ihrem Buch „Anti-Girlboss" geht die Sozialarbeiterin Nadia Shehadeh sogar noch weiter als Brielle und gibt zu, dass sie lieber zuhause auf der Couch chillt als zur Arbeit zu gehen. „Ein halbwegs öder Tag zuhause ist immer noch besser als ein interessanter Tag bei der Arbeit“ ist einer ihrer kernigen Sprüche. In einem Interview mit Aspekte sagt sie, dass es Faulheit nicht gebe und man ruhig auf seine Bedürfnisse hören sollte. Sie brauche keine krasse Karriere, sondern genieße ihr beschauliches Leben.